eBioCO2n – Stromgetriebene CO2-Konversion durch synthetische Enzymkaskaden zur Herstellung von Spezialchemikalien

Die Nutzung von CO2 als Rohstoff fĂŒr die Synthese ist auch in der chemischen Industrie im Rahmen der Entwicklung klima- und ressourceneffizienter Innovationen von großer Bedeutung. Neben nachwachsenden Rohstoffen spielt CO2 zukĂŒnftig auch deshalb eine wichtige Rolle, da das Treibhausgas mit Strom aus erneuerbarer Energie nutzbar gemacht werden kann.

Dazu entwickelt das Innovationsfeld Bioinspirierte Chemie mit einem hochinterdisziplinÀren Forschungsteam in dem im Max-Planck-Kooperationsprogramm geförderten Fraunhofer-Projekt »eBioCO2n« einen neuartigen modularen elektrobiokatalytischen Prozess. Der Prozess erlaubt es, CO2 strombasiert und unter sehr milden Reaktionsbedingungen an ein Substrat zu fixieren und in fein aufeinander abgestimmten Enzymkaskaden zur Herstellung wertvoller Feinchemikalien zu nutzen.

Neuartige elektrobiokatalytische CO2-Reduktion zur Synthese von Feinchemikalien

Herausforderung

FĂŒr die stromgetriebene Synthese von Chemikalien kommen nicht nur chemisch‑katalytische Verfahren in Betracht. Vielmehr ist es auch denkbar, CO2‑fixierende elektronenĂŒbertragende Biokatalysatoren mit weiteren enzymatischen Umsetzungsschritten in Form einer Enzymkaskade zur Herstellung von Feinchemikalien zu verknĂŒpfen.

Vorhaben

Dieser Herausforderung stellt sich das Projekt »eBioCO2n«, das gemeinsam von Fraunhofer- und Max‑Planck-Wissenschaftlern bearbeitet wird. Ziel des ambitionierten Vorhabens ist es, die Machbarkeit solch bioelektrokatalytischer Synthesen mit einem Demonstrator im 10‑ bis 100‑mL‑Maßstab zu zeigen. Hierzu sollen geeignete CO2‑fixierende Enzyme mittels neuer molekularer Architekturen auf Elektroden (Kathoden) assembliert und – je nach Zielprodukt – mit weiteren spezifischen Enzymen zu kontinuierlichen und gekoppelten Reaktionskaskaden kombiniert werden.

Immobilisierung der CO2-fixierenden Enzyme im Hydrogel

FĂŒr die biokatalytische CO2-Fixierung kommen spezielle, am Max-Planck-Institut fĂŒr Terrestrische Mikrobiologie in Marburg in der Gruppe von Prof. Tobias Erb entwickelte Redoxenzyme zum Einsatz, sogenannte Enoyl‑CoA‑Carboxylasen/Reduktasen. Diese binden CO2 ĂŒber eine reduktive Carboxylierung an ein Substrat und wandeln es somit in ein wertvolles Intermediat um. Die Enzyme gehören zu den effizientesten CO2‑umwandelnden Biokatalysatoren, die bisher beschrieben wurden.

FĂŒr den effizienten und kontinuierlichen Transfer der Elektronen, die der regenerative Strom liefern kann, werden die CO2-fixierenden Enzyme in einem maßgeschneiderten redoxaktiven Hydrogel auf Viologenbasis auf Elektroden immobilisiert. Die Grundlagen hierfĂŒr wurden an der Technischen UniversitĂ€t MĂŒnchen (TUM) am Lehrstuhl von Prof. Nicolas PlumerĂ© entwickelt und sichern den Elektronenfluss in einem dreidimensionalen Raum. Auf diese Weise können große Mengen an Enzymen eingesetzt werden, sodass eine hohe Produktausbeute erreichbar ist.

Infografik eBioCO2n
© Fraunhofer IGB
eBioCO₂n-Plattform fĂŒr die elektrisch angetriebene Fixierung von CO₂ in Crotonyl-CoA zur Bildung von (2𝘚)-Ethylmalonyl-CoA.

Regeneration des Cofaktors

Damit die reduktive Carboxylierungsreaktion ablĂ€uft, benötigt das Enzym Enoyl‑CoA‑Carboxylase/Reduktase NADPH als Cofaktor. Dieses kleine organische MolekĂŒl fungiert als Protonen- bzw. Elektronendonator und wird im Lauf jeder einzelnen Reaktion verbraucht. Die Cofaktoren fĂŒr eine synthetische Reaktion neu bereitzustellen, wĂ€re in grĂ¶ĂŸerem Maßstab sehr teuer und damit unwirtschaftlich. Um die Cofaktor-MolekĂŒle ebenfalls mithilfe von Strom und nach dem gleichen Reaktionsprinzip zu regenerieren und damit fĂŒr einen neuen Reaktionszyklus bereitzustellen, wurde im Projekt ein weiteres Enzym als Recycling-Modul im Redox-Hydrogel immobilisiert.

Demonstration: CO2-Einbau in Crotonyl-CoA

Mit dem neuartigen Ansatz zur CO2-Reduktion, der Technologien der Bioelektrokatalyse, Materialchemie und der synthetischen Biologie vereint, konnte die Machbarkeit des Prozesses im Milliliter-Maßstab gezeigt werden. Der Ansatz ermöglichte den regio- und stereoselektiven Einbau von CO2 in Crotonyl-CoA und lieferte das bisher komplexeste Produkt, das in der bioelektrokatalytischen CO2-Konversion bekannt ist. Die Untersuchungen wurden 2021 in der Fachzeitschrift Angewandte Chemie publiziert und als »Hot Paper« eingestuft.

Modulare Plattformtechnologie

Das elektrobiokatalytische Reaktionssystem ist modulartig erweiterbar und damit als Plattformtechnologie einsetzbar. Aus bioinformatischen Datenbanken können je nach ZielmolekĂŒl (Syntheseprodukt) passende Enzyme ausgewĂ€hlt, biotechnologisch hergestellt und in die Hydrogele eingebaut werden. Das eBioCO2n-Modul ermöglicht damit die Herstellung verschiedener biobasierter Feinchemikalien, die ĂŒber spezifische Enzymkaskaden nach Bedarf diversifiziert werden können. Dies birgt fĂŒr Unternehmen der Pharmaindustrie, Agrochemie oder Lebensmittelindustrie großes Potenzial.

Auswirkung

Die chemische Synthese auf Basis biokatalytischer CO2‑Fixierung ermöglicht eine neue Form der Kreislaufwirtschaft, indem Strom aus erneuerbaren Quellen zur enzymatischen Herstellung wertschöpfender Feinchemikalien genutzt und chemische Syntheseprozesse von fossilen Rohstoffen entkoppelt werden.

FĂŒr den Prozess werden Enzymreaktionen kombiniert: eine fĂŒr Bereitstellung und Regeneration des Cofaktors, eine fĂŒr die CO2-Fixierung.
© Fraunhofer/Marc MĂŒller
Die fĂŒr die CO2-Fixierung benötigten Enzyme werden biotechnologisch hergestellt und mittels FPLC fĂŒr den Einsatz im redoxaktiven Hydrogel gereinigt.
In der »Glovebox« wird die FunktionalitÀt der Enzyme elektrochemisch unter Ausschluss von Luft gemessen.
© Fraunhofer/Marc MĂŒller
In der »Glovebox« untersuchen die Forschenden die FunktionalitĂ€t von Enzymen elektrochemisch unter Ausschluss von Luft. Die anhand des gemessenen Stromflusses berechnete Enzymkinetik gibt Aufschluss darĂŒber, welche Enzyme fĂŒr den eBioCO2n-Prozess am besten geeignet sind.
Dr. Leonardo Castañeda-Losada bei der Entwicklung des elektrobiokatalytischen Verfahrens zur CO2-Fixierung.
© Fraunhofer/Marc MĂŒller
Das Enzym fĂŒr die Regeneration des Cofaktors wird zusammen mit den Enzymen fĂŒr die CO2-Fixierung im Redox-Hydrogel auf der Elektrode fixiert.

Publikation

In der, im Rahmen des Projekts entstandenen, Publikation wird aufgezeigt, wie in einem bioelektrokatalytischen Ansatz ein Modul zum NADPH-Recycling sowie ein Modul zur C-C-BindungsknĂŒpfung gemeinsam in einem Redox-Hydrogel auf Viologenbasis immobilisiert wird. Der Ansatz ermöglichte den regio- und stereoselektiven Einbau von CO2 in Crotonyl-CoA und lieferte das komplexeste Produkt, das bisher in der bioelektrokatalytischen CO2-Konversion bekannt ist.

Leonardo Castañeda-Losada, David Adam, Nicole Paczia, Darren Buesen, Fabian Steffler, Volker Sieber, Tobias J. Erb, Michael Richter, Nicolas PlumerĂ© (2021) Bioelectrocatalytic Cofactor Regeneration Coupled to CO2 Fixation in a Redox-Active Hydrogel for Stereoselective C−C Bond Formation; Angewandte Chemie International Edition 2021, 60, 2–8; https://onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1002/anie.202103634