Multifunktionelle PEG – neue Materialien für die Life Sciences

PEG – biokompatibles Allroundtalent

Polyethylenglykol (PEG), ist nicht toxisch, nicht immunogen, hydrophil und hochelastisch. Aufgrund dieser Eigenschaften findet das Polymer vielfältigen Einsatz in medizintechnischen Produkten, in der Pharmazie, der Chemie- und Kosmetikindustrie sowie im Tissue Engineering. Für die Anwendung ist meist eine Anbindung oder Vernetzung des PEG notwendig. Dabei muss die Netzwerkdichte über die Kettenlänge des PEG eingestellt werden, da sich die funktionellen Gruppen an den Kettenenden befinden. Hierzu stehen kommerziell endgruppenfunktionalisierte PEG zur Verfügung, allerdings ist die Auswahl verfügbarer Kettenlängen stark begrenzt.

Multifunktionelle PEG über Seitenkettenfunktionalisierung

Chemische Struktur der multifunktionellen PEG.
Chemische Struktur der multifunktionellen PEG.

Zur Umgehung dieser Einschränkung haben wir am Fraunhofer IGB in Kooperation mit dem Institut für Grenzflächenverfahrenstechnik IGVT der Universität Stuttgart polymeranaloge und monomerbasierte Synthesestrategien für neuartige multifunktionelle PEG entwickelt, bei denen die chemisch reaktiven funktionellen Gruppen in Seitenketten des PEG vorliegen. Als reaktive Funktionen sind beispielsweise möglich:

  • Thiol
  • Amin (primär, sekundär)
  • Carboxyl
  • photoaktivierbare Gruppen

Der Anteil der enthaltenen Seitengruppen und somit der Abstand zweier funktioneller Seitengruppen kann eingestellt werden. Es sind auch Copolymere mit den entsprechend funktionalisierten PEG herstellbar.

Beispiel Thiol-PEG

Biokompatible Hydrogele.
Biokompatible Hydrogele aus multifunktionellen PEG-Materialien, die am Fraunhofer IGB entwickelt wurden.
Maßgeschneidertes Quellverhalten von Hydrogelen aus multifunktionellem PEG.
Maßgeschneidertes Quellverhalten von Hydrogelen aus multifunktionellem PEG.

In den letzten Jahren hat sich die Thiol-En-Michael-Addition im Bereich des Tissue Engineering als eine biokompatible Reaktion ohne Nebenprodukte zum Aufbau von vernetzten Hydrogelmatrixmaterialien etabliert. Am Fraunhofer IGB wurde ein neuartiges PEG-Derivat synthetisiert, welches diese biokompatiblen Thiolgruppen an jeder Wiederholungseinheit trägt. Dieses multifunktionelle Thiol-PEG wurde zum Patent angemeldet und steht nun für den Einsatz in den Life Sciences zur Verfügung [1]. Mit Michael-Akzeptoren wie beispielsweise PEG-700-Diacrylat bilden sich innerhalb weniger Sekunden Hydrogele.

Die Eigenschaften dieser Materialien lassen sich im Gegensatz zu herkömmlichen Systemen, die auf endfunktionalisierten PEG basieren, einfach über das Verhältnis der Reagenzien gezielt einstellen. Dies ist beispielhaft an der Quellbarkeit dargestellt, die wir über einen weiten Bereich von 10 Prozent bis zu 60 Prozent bei konstant hohen Gelausbeuten gezielt anpassen (siehe Grafik links).

Biofunktionalität

Humane Fibroblasten auf multifunktionellen PEG-Hydrogelen.
Humane Fibroblasten auf multifunktionellen PEG-Hydrogelen.

Erste Untersuchungen, in denen die auf modifizierten PEG basierenden Hydrogele mit humanen Fibroblasten besiedelt wurden, deuten auf eine gute Biokompatibilität hin. Im Gegensatz zu unfunktionalisiertem PEG scheinen unsere neuen Hydrogele darüber hinaus sogar biofunktionell zu sein. Lichtmikroskopische Aufnahmen zeigen eine hohe Zahl adhärenter Zellen auf einem solchen Hydrogel nach 48 Stunden Besiedlungszeit.

Ausblick

Anwendungsbeispiel »PEGylierung« von Goldpartikeln zur Verbesserung der Biokompatibilität.
Anwendungsbeispiel »PEGylierung« von Goldpartikeln zur Verbesserung der Biokompatibilität.

Über gezielte Variationen in der Reaktionsführung lassen sich beliebige Mengen Thiolgruppen an PEG anbringen, so dass zum Aufbau von Hydrogelen eine breite Vielfalt multifunktioneller PEG zur Verfügung stehen. Eine weitere mögliche Anwendung, speziell der Thiol-PEG, ist die »PEGylierung« von Oberflächen aus Gold (Bild 4) oder von acrylgruppentragenden Oberflächen. Denkbar ist auch, multifunktionelle PEG als biokompatible Matrix von Drug-Delivery-Systemen mit maßgeschneiderten Eigenschaften einzusetzen.

Literatur

[1] Southan, A.; Schuh, C.; Tovar, G.; Hirth, T., Seitenketten-funktionalisiertes PEG, Patentanmeldung DE 10 2011 114 167.0

Förderung

Wir danken der Peter und Traudl Engelhorn Stiftung für die Förderung der Arbeiten über ein Post-Doc-Stipendium und dem Landesministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst Baden-Württemberg für die Förderung des Projekts »SynElast – Desmosin-Mimetika für die Entwicklung eines synthetischen Elastinersatzes«, Förderkennzeichen 720.830-5-10a.

Projektpartner

Institut für Grenzflächenverfahrenstechnik, Universität Stuttgart