Antibakterielle Knochenimplantate zur Vermeidung lokaler Infektionen

Vorbeugung von Knocheninfektionen

Mikroskopische Aufnahme des verwendeten Apatits.
© CIRIMAT Carnot Institut
Mikroskopische Aufnahme des verwendeten Apatits.

In Krankenhäusern erworbene Knocheninfektionen, beispielsweise infolge von chirurgischen Eingriffen, sind kostspielig und ein ernstzunehmendes Problem. Aus diesem Grund ist die Vorbeugung solcher Knocheninfektionen von höchster Priorität. Calciumphosphat (CaP)-Apatite sind als Biomaterial für die Wiederherstellung von Knochen gut geeignet. Doch obwohl CaP-Verbindungen in den letzten Jahren Gegenstand intensiver Erforschung und Entwicklung auch seitens der Industrie waren, existieren bis heute keine technologischen Konzepte, um CaP-Apatite mit antibakteriellen Eigenschaften zu versehen. Da der Einsatz von Antibiotika aufgrund der Ausbildung bakterieller Resistenzen problematisch ist, müssen andere Strategien gefunden, verglichen und weiterentwickelt werden.

Deutsch-französische Forschungskooperation BioCapabili

Screening zur Quantifizierung der antimikrobiellen Eigenschaften der BioCapabili-Formulierungen.
Screening zur Quantifizierung der antimikrobiellen Eigenschaften der BioCapabili-Formulierungen.

Im binationalen Projekt BioCapabili arbeiten das Fraunhofer IGB und das französische Carnot-Institut CIRIMAT zusammen, um bioaktive, biomimetische CaP-Apatite mit verschiedenen antimikrobiellen Verbindungen auszurüsten und umfassend zu untersuchen. Antibiotika wurden nicht verwendet. CaP-Apatite wurden in der Gruppe »Phosphates, Pharmacotechnics and Biomaterials« des CIRIMAT hergestellt, mit dem Fokus auf Synthese, Charakterisierung und Oberflächenaktivität. Alternative Oberflächenmodifikationen sowie die biologische Charakterisierung der modifizierten CaP-Apatite erfolgten am Fraunhofer IGB.

Vorgehensweise

Rasterelektronenmikroskopische Aufnahme eines Biofilms der Spezies S. aureus auf der Oberfläche von CaP-Apatit des CIRIMAT-Instituts ohne antimikrobielle Ausrüstung.
Rasterelektronenmikroskopische Aufnahme eines Biofilms der Spezies S. aureus auf der Oberfläche von CaP-Apatit des CIRIMAT-Instituts ohne antimikrobielle Ausrüstung.

In der Apatitstruktur kristallisierte Calciumphosphate sind analog aufgebaut wie das mineralische Knochenmaterial. Für die Herstellung neuer Formulierungen nanokristalliner biomimetischer Apatite mit antibakteriellen Eigenschaften haben wir zum einen die Zusammensetzung der Apatite modifiziert. Ein zweiter Ansatz war, die Oberfläche nanoskaliger CaP-Apatite, deren Oberfläche eine hydratisierte Schicht besitzt, mit Wirkstoffen zu funktionalisieren. Mit verschiedenen Methoden wurde vorzugsweise die Oberfläche der Nanokristalle (z. B. unter Verwendung einer Dialysemembran) oder die Gesamtheit der Kristalle modifiziert. Ebenso wurde die Adsorption von organischen oder organisch-anorganischen Verbindungen auf der Oberfläche der CaP-Kristalle untersucht. Die antibakteriellen Eigenschaften wurden jeweils für unterschiedliche pathogene Organismen und mit unterschiedlichen Prüfbedingungen nachgewiesen. Verglichen wurde die Konzentrationsabhängigkeit der antibakteriellen Wirkung hinsichtlich Zytotoxizität und antibakterieller Eigenschaften. Die besten Formulierungen wurden anschließend in vivo auf Osteokonduktion geprüft.

Ergebnisse

Prüfkörper Knochenersatzmaterial.
Prüfkörper Knochenersatzmaterial.
Antibakterielle Wirkung verschiedener BioCapabili-Formulierungen auf relevante Bakterienstämme.
Antibakterielle Wirkung verschiedener BioCapabili-Formulierungen auf relevante Bakterienstämme.

Mehrere neue Formulierungen von chemisch modifizierten nanokristallinen Apatiten (mit oder ohne Oberflächenmodifikationen) wurden synthetisiert und vollständig charakterisiert. Die Bedingungen, mit denen wir einphasige Apatit-Systeme erhielten, wurden beibehalten und entsprechend auf antibakterielle Eigenschaften und Zytotoxizität getestet. Als Referenz dienten nicht dotierte Systeme. Die erhaltenen Apatit-Nanokristalle zeigten eine hohe Oberflächenaktivität, vor allem durch die hydratisierte Schicht auf ihrer Oberfläche. Der Einfluss der Syntheseparameter, insbesondere die pro Formulierung eingesetzte Menge an antibakteriellem Wirkstoff, und der Nachbehandlungen wurde gründlich untersucht, vor allem im Hinblick auf zukünftige Einsatzgebiete.

Alle im Projekt entwickelten Systeme wurden in einem Screening auf antibakterielle Eigenschaften und Zytotoxizität untersucht. Die vielversprechendsten Formulierungen wurden für zukünftige Untersuchungen zur Übertragung in einen industriellen Herstellungsmaßstab ausgewählt. In der Grafik links sind einige ausgewählte Ergebnisse des Screenings dargestellt. Dargestellt ist der Reduktionsfaktor RF, der sich aus der eingesetzten Ausgangskeimzahl und der rekultivierbaren Zellzahl errechnet (RF = log (Ausgangskeimzahl) – log (Anzahl rekultivierbare Zellen)).[CV1]  Eine hohe Ausgangszellzahl zwischen 107 Zellen/ml bei den Staphylokokken und 109 Zellen/ml bei E. coli und P. aeruginosa wurde auf silber- und bismutdotierte CaP-Apatite innerhalb eines Konzentrationsscreenings aufgebracht. Der im Diagramm angegebene Reduktionsfaktor RF gibt die Reduktion der lebens- und vermehrungsfähigen Zellen in logarithmischer Form an. Der maximal mögliche Wert entspricht der eingesetzten Ausgangszellzahl und damit der vollständigen Inaktivierung der eingesetzten Zellzahl. So konnten die Staphylokokken mit den dargestellten Dotierungen vollständig inaktiviert werden. E. coli und P. aeruginosa zeigen bei 0,1 Prozent Silber noch keine Beeinträchtigung (RF = 0), während bereits 0,5 Prozent Silber und beide Bismut-Konzentrationen ebenfalls eine vollständige Inaktivierung nach sich zogen.

 

 

In-vivo-Implantationstests wurden gestartet, um die Auswirkungen der besten Formulierungen auf die Neubildung von Knochen (Osteogenese) zu untersuchen.

Ausblick

Mit Blick auf die Weiterentwicklung der Formulierungen konnten wir noch während der Projektlaufzeit Kontakte zu Chirurgen und Industrieunternehmen knüpfen. Das Patent für eine der neuen Formulierungen wurde eingereicht. Einige Industrieunternehmen haben konkretes Interesse an diesem Patent und an der französisch-deutschen BioCapabili-Forschungsallianz signalisiert. Beide Institute haben weitere neue Anwendungen für die entwickelten antibakteriellen Materialien im Fokus – als Grundlage einer langfristigen Zusammenarbeit für die Entwicklung antibakterieller Materialien in Europa.

Förderung

Bundesministerium für Bildung und Forschung.

Wir danken dem deutschen Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) und der französischen Agence Nationale de la Recherche (ANR) für die Förderung des Projekts »BioCapabili« innerhalb des Verbundprojekts »Inter Carnot Fraunhofer PICF 2009«.

Projektpartner

  • CIRIMAT Carnot Institut, Prof. Dr. Christophe Drouet