Was sind Plasmen und wie wirken sie?

Definition des Plasma

Das Plasma wird physikalisch definiert, als ein ionisiertes Gas mit exakt gleicher Anzahl positiver und negativer Ladungen. Es lässt sich über einen sehr breiten Bereich von Druck und Temperatur realisieren. Beispiele sind die Sonne, ein Blitz, eine Flamme oder die Neonlampe.

Prinzip der Plasmabehandlung

Die Plasma-Atmosphäre besteht aus freien Elektronen, Radikalen, Ionen, UV-Strahlung und einer großen Anzahl unterschiedlich angeregter Teilchen, je nachdem, welches Gas verwendet wird. Die Abbildung unten verdeutlicht das Plasmaprinzip.
In der Plasmakammer werden verschiedene reaktive Spezies erzeugt, die mit der Substratoberfläche wechselwirken und diese reinigen, modifizieren oder beschichten, je nach den eingestellten Prozessparametern.
Weiterhin kann die Plasmabehandlung mit unterschiedlicher Prozessführung ausgeführt werden.

1. Die Substrate werden direkt in der Plasmazone behandelt.
2. Die Proben werden ausserhalb der Plasmazone positioniert; dieser Prozess wird remote-Prozess genannt.
3. Die Substrate werden im Plasma aktiviert und direkt anschliessend eine Pfropfreaktion ausgeführt.
4. Die Substrate werden vorher mit einer Polymerlösung oder -gas beaufschlagt und diese durch das nachfolgende Plasma fixiert bzw. polymerisiert.

Wie wirkt das Plasma?

Die zu behandelnden Waren (Folien, Membranen, Textilien, Polymere, ...) werden, je nach Anforderung, einige Sekunden oder mehrere Minuten dem Plasma ausgesetzt. Im wesentlichen können vier Effekte, je nach den Behandlungsparametern erwirkt werden:

1. Reinigung /Ätzabtrag: Der reinigende Effekt ist meist mit einer Veränderung der Benetzbarkeit und topographischer Veränderungen (siehe Punkt 2) verbunden. Dies führt z. B. zu einer Verbesserung der Bedruckbarkeit, der Anfärbbarkeit, der Adhäsion usw.

2. Erhöhung der Mikrorauhigkeit: Dies bewirkt z. B. eine verbesserte Filzfreiausrüstung von Wolle.

3. Radikalstellenbildung: Durch die Radikalstellen kommt es zu Sekundärreaktionen, wie z. B. die Vernetzung. Weiterhin stellen sie den Ausgangspunkt für Pfropfpolymerisationen und die Reaktion mit Luftsauerstoff zur Hydrophilierung dar.

4. Durch die Plasmapolymerisation ist man in der Lage, Schichten mit gewünschten Eigenschaften auf den Substraten abzuscheiden.

Der Vorteil der Plasmabehandlung ist, dass sie an der Oberfläche der Textilien stattfindet und somit die Volumeneigenschaften der Fasern weitgehend erhalten bleiben.

Plasmaanlagen

Eine typische Plasmaanlage besteht aus 5 Modulen bzw. Funktionen: Vakuumsystem, Energieversorgung, Abstimmeinheit, Reaktionskammer und Kontrolleinheiten.

  • Vakuumsystem: Die Niederdruckplasmabehandlung arbeitet im Druckbereich zwischen 0,1 mbar und 1 mbar mit einem kontinuierlichen Gasfluss in die Reaktionskammer. In einigen Fällen ist es jedoch notwendig, dass der Basisdruck vor der Behandlung auf Werte unterhalb 0,1 mbar gesenkt wird.
  • Energieversorgung: Sie liefert die notwendige elektrische Energie, um das Plasma zu zünden. Die Leistung variiert zwischen 10 und 5000 Watt, abhängig von der Grösse des Reaktors und der gewünschten Behandlung. Zur Anregung kann ein grosser Bereich von Frequenzen, von Gleichstrom bis hin zu Mikrowelle eingesetzt werden.
  • Kontrolleinheit: Sie kontrolliert alle Prozessvariablen: Gasart, Druck, Gasfluss, Leistung und Prozesszeit.
  • Reaktionskammer: Sie ist das »Herz« der Anlage und kann an den Prozess angepasst werden. Das zu behandelnde Material kann im batch, halbkontinuierlich oder von Luft-zu-Luft behandelt werden. Letzteres ist aufgrund der erforderlichen Schleusentechnik sehr teuer.
     

Beispiel: Physikalische Parameter einer Anlage am Fraunhofer IGB in Stuttgart

  • Frequenz: 13,56 MHz
  • Plasma Leistung: 10-1000 W
  • Basisdruck: 10-3 mbar
  • Arbeitsdruck: 0.01-1 mbar
  • Geschwindigkeit: 0,2-20 m/min
  • Maximale Breite: 18 cm

Vorteile der Plasmabehandlung

Die Plasmabehandlung von polymeren Materialien hat mehrere Vorteile, verglichen mit der klassischen nasschemischen Ausrüstung. Die Hauptvorteile sind:

  • Optimierung der Oberflächeneigenschaften ohne Veränderung der Volumencharakteristik
  • An Polymeren, die nicht oder nur schwer mit nasschemischen Verfahren modifiziert werden können, können ebenfalls die Oberflächeneigenschaften geändert werden.
  • Der Verbrauch von Chemikalien ist aufgrund des physikalischen Vakuumprozesses gering
  • Der Prozess wird trocken in einem geschlossenen System ausgeführt dadurch ist der Prozess sicher und zuverlässig.
  • Umweltfreundlich

Anwendungen

Wasserabweisend ausgerüstetes Baumwolle/Polyester-Gewebe. Links unbehandelt, rechts nach Plasmaausrüstung.
Wasserabweisend ausgerüstetes Baumwolle/Polyester-Gewebe. Links unbehandelt, rechts nach Plasmaausrüstung.
3M-Öltest an einem Baumwolle-Polyester-Gewebe.
3M-Öltest an einem Baumwolle-Polyester-Gewebe, das mittels der Plasmatechnologie ölabweisend ausgerüstet wurde. Der Test beruht auf dem unterschiedlichen Netzvermögen von 8 flüssigen Kohlenwasserstoffverbindungen. Die hier gezeigte Qualität 7B/8D kann mit nasschemischen Verfahren konkurrieren.

Die Plasmabehandlung von polymeren Materialien, die zu Textilien, Membranen, Folien, Vliese, Verbünde etc. verarbeitet sind, ist in der Lage, ein breites Spektrum interessanter Oberflächeneigenschaften zu optimieren. Von der sehr grossen Anzahl von in der Literatur beschriebenen Ergebnissen werden im folgenden exemplarisch einige genannt.

Mechanische Eigenschaften

  • Verbesserte Weichheit mit gleichbleibender Zugfestigkeit
  • Material: z. B. Baumwolle, andere cellulosische Materialien
  • Behandlung: z. B. Sauerstoffplasma
  • Geringere Verfilzung
  • Material: z. B. Wolle
  • Behandlung: z. B. Sauerstoffplasma
  • Knitterfreiheit
  • Material: z. B. Wolle, Baumwolle, Seide
  • Behandlung: z. B. Tauchen in DMSO gefolgt von einem Stickstoffplasma

Elektrische Eigenschaften

  • Antistatische Ausrüstung
  • Material: z. B. Rayon
  • Behandlung: z. B. Plasma aus Chlor(chlormethyl)disilan

Benetzung

  • Verbesserung der Benetzung
  • Material: z. B. PA, PE, PP, PET, PTFE,...
  • Behandlung: z. B. O2-, Luft, NH3-Plasmen
  • Die Hydrophilierung dient ebenfalls der Schmutzabweisung und der Antistatikausrüstung
  • Hydrophobe Ausrüstung
  • Material: z. B. Baumwolle, BW/Polyester,
  • Behandlung: z. B. Siloxan- Perfluorcarbonplasmen (nebenstehende Abbildung)

Oleophobie

  • Material: z. B. BW/Poyester
  • Behandlung: Propfung mit Perfluoracrylaten (Abbildung links)

Färben, Bedrucken

  • Verbesserte Kapillarität
  • Material: z. B. Wolle, Baumwolle
  • Behandlung z. B. Sauerstoffplasma
  • Verbesserte Färbung
  • Material: z.B. Polyester
  • Behandlung: z. B. SiCl4-Plasma
  • Erhöhung der Farbtiefe
  • Material: z. B. Polyamid
  • Behandlung: z. B. Ar-Plasma

Weitere Eigenschaften

  • Bleichen
  • Material: z. B. Wolle
  • Behandlung: Sauerstoffplasma
  • UV-Schutz
  • Material: z.B. gefärbtes BW/Polyester
  • Behandlung: z. B. HMDSO-Plasma
  • Flammschutz
  • Material: z. B. PAN, Rayon, cotton
  • Behandlung: z. B. phosphorhaltige Monomere

Metallbeschichtete Polymere

Metallbeschichtete Polymere werden in einer Vielzahl von Anwendungen unterschiedlicher Industriezweige eingesetzt. Damit das metallisierte Polymer die gewünschten Eigenschaften erfüllt, ist eine feste Haftung des Metalls auf dem Polymersubstrat erforderlich. Dies kann durch eine Plasmavorbehandlung des Polymers erreicht werden.

  • Beispiel: Sauerstoffplasmabehandlung von ABS vor dem Aufdampfen von Kupfer

Verbünde/Laminate

Eine gute Haftung zwischen Faser und Matrix (oder Laminaten) ist abhängig von den Oberflächeneigenschaften der Faser, Matrix und den physicochemischen Wechselwirkungen an der Grenzfläche. Eine wichtige Vorraussetzung für eine gute Haftung zwischen Faser und Matrix ist, dass die Faser eine grössere Oberflächenenergie aufweisen muss als die Matrix. Dies kann durch Plasmabehandlung erreicht werden.

Anwendungen in Biologie und Medizin

  • Bevorzugtes Zellwachstum auf (auch bioabbaubaren) Geweben für
  • Zellkulturtests
  • Fermentation
  • Implantate (Blutgefässe, Haut)
  • Verhinderung des Zellwachstums für
  • Katheter
  • Membranen in Fermentern
  • Enzym-Immobilisierung
  • Sterilisation

Anwendungen als Träger in der Membran- und Umwelttechnologie

  • Gastrennung
  • z. B. Sauerstoffanreicherung
  • Lösungs-Diffusionsmembranen
  • z. B. Alkoholanreicherung
  • UF/MF-Membranen
  • Verbesserung der Selektivität
  • Antifouling Ausrüstung
  • Hydrophilierung von Poreninnenräumen
  • Funktionalisierte Membranen
  • Affinitätsmembranen
  • Geladene Membranen
  • Bipolare Membranen

Ausblick

Die Textilindustrie muss mehrere zum Teil neue Anforderungen erfüllen, die vor allem die europäischen und amerikanischen Märkte betreffen. Dazu gehören z. B.:

  • steigendes Umweltbewusstsein
  • Forderungen nach Prozess- und Arbeitsplatzsicherheit
  • steigende Anforderungen an die Eigenschaften der Produkte
  • zunehmendes Streben nach persönlicher Sicherheit und Komfort
  • wachsender Preisdruck durch steigende Energie- und Rohstoffkosten
  • Stückkostensenkung bei gleichzeitiger Qualitätsverbesserung
  • massgeschneiderte Produkte

Hier gilt es Chancen und Risiken zu erkennen. Neue Märkte und zusätzliche Absatzchanchen werden dort zu finden sein, wo Produkte in besonderem Masse auf diese Trends eingehen.

Die grösste Herausforderung ist und bleibt dabei, die Entwicklung und Nutzung neuer Technologien wie z. B. die Plasmatechnologie, um damit ein besseres Preis/Leistungsverhältnisse zu erzielen.

Dies setzt zweierlei voraus: zum einen eine Verbreiterung und Vertiefung des Kenntnisstandes über die Möglichkeiten das Potential und Chanchen der Plasmatechnologie. Zum anderen eine vertiefte Partnerschaft zwischen Forschungsinstituten, Entwicklern von Plasmaanlagen und Firmen aus dem textilen Sektor. Beides ist sicherlich nichts weltbewegend Neues, aber es fehlt häufig doch noch an der Einsicht in die Notwendigkeit, die Voraussetzung für einen Erfolg ist.

Wir denken, dass dieses Symposium viele Informationen über die Plasmamodifizierung polymerer Materialien zusammen mit den Möglichkeiten und Grenzen dieser innovativen Technologie bietet.