Biotenside – Herstellung und Optimierung

Tenside werden weltweit in einer Größenordnung von 18 Millionen Tonnen produziert und als Detergenzien, Emulgatoren, Dispergiermittel und Schaummittel in den unterschiedlichsten Bereichen, von der Textilindustrie bis zum Bergbau, eingesetzt. Tenside werden sowohl auf Basis fossiler Rohstoffe als auch aus nachwachsenden Rohstoffen, beispielsweise Palmöl, über chemische Verfahren synthetisiert. Die Strukturvielfalt solch chemisch hergestellter Tenside ist jedoch begrenzt und die Nachhaltigkeit der verwendeten tropischen Pflanzenöle wird derzeit kontrovers diskutiert.

Biotenside aus nachwachsenden Rohstoffen

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Zellen des Brandpilzes Ustilago maydis.
Zellen des Brandpilzes Ustilago maydis im haploiden, vegetativen Einzellstadium (links). Mannosylerythritollipide setzen sich bei hohen Produktkonzentrationen als ölartige Perlen ab (Mitte mit Strukturformel), Cellobioselipide als nadelförmige Kristalle (rechts, mit Strukturformel).

Biotenside – Mikrobiell produzierte Tenside

Mikroorganismen bilden unter natürlichen Bedingungen eine Vielzahl oberflächenaktiver Substanzen, sogenannte Biotenside, die ein breites Spektrum chemischer Strukturen abdecken. Dazu zählen u. a. Glykolipide, Lipopeptide, Lipoproteine und Heteropolysaccharide. Die Eigenschaften dieser Biotenside sind in Bezug auf Tensidwirkung und Abbaubarkeit mit vielen synthetischen Tensiden vergleichbar oder diesen sogar überlegen und daher für viele Anwendungsbereiche in der Industrie interessant.

Verbesserte Herstellungs- und Aufarbeitungsverfahren, leistungsfähigere Produktionsstämme und die gesteigerte Nachfrage nach »grünen« Produkten haben in den letzten Jahren einige Biotenside bis zur Marktreife gebracht. Ein Beispiel hierfür ist das Sophoroselipid aus Starmerella bombicola, das inzwischen von verschiedenen Tensidherstellern als Zusatz für Haushaltsreiniger und Geschirrspülmittel produziert wird.

Vielversprechende Glykolipide

Zwei Biotensidklassen, die sich ebenfalls als vielversprechende Detergenzien, Emulgatoren und Wirkstoffe in Kosmetika, Pflanzenschutz und industriellen Anwendungen herausgestellt haben, sind Cellobioselipide (CL) und Mannosylerythritollipide (MEL). Sie werden von Mikroorganismen aus der Familie der Brandpilzverwandten (Ustilaginaceae), wie zum Beispiel Ustilago oder Moesziomyces-Spezies, in größeren Mengen gebildet. Ihre antimikrobiellen Eigenschaften machen sie auch für den Einsatz im klinischen und pharmazeutischen Bereich interessant.

Kürzlich wurde auch eine weitere Klasse von mikrobiellen Biotensiden, die sog. Polyollipide (PL), in unserer Arbeitsgruppe untersucht. Diese können ebenfalls fermentativ mit Rhodotorula Spezies aus Zuckern hergestellt werden.

Für die industrielle Produktion dieser Biotenside sind jedoch noch Verbesserungen der Ausbeute bei der Fermentation sowie bei der Reproduzierbarkeit der Produktzusammensetzung erforderlich. Ziele dieser Untersuchungen sind daher einerseits eine Steigerung von Produktivität und Ausbeute sowie die Verwendung von verschiedenen nachwachsenden Rohstoffen als Substrate.

Leistungsspektrum

  • Fermentation und Bereitstellung von Mustern fermentativ hergestellter Biotenside
  • Chemisch-enzymatische Modifizierung
  • Scale-up der Fermentation bis max. 10 m3 am Fraunhofer-Zentrum für Chemisch-Biotechnologische Prozesse CBP, Leuna

Ziele und Strategien

Das Fraunhofer IGB beschäftigt sich mit der Optimierung der biotechnologischen Synthese von Glykolipiden, insbesondere von Cellobioselipiden (CL) und Mannosylerythritollipiden (MEL) unter Verwendung verschiedener Pilze und unterschiedlicher Substrate wie Mono- und Disaccharide, Pflanzenölen oder Reststoffen. So sollen maßgeschneiderte Strukturgemische entstehen und auf ihre anwendungsspezifische Eignung überprüft werden.

Ziele sind hierbei die Charakterisierung und Optimierung der mikrobiellen Biotenside für den Einsatz in Reinigungsmitteln, in Kosmetika oder für Spezialanwendungen in der Industrie sowie eine effiziente fermentative Produktion dieser Biotenside mit möglichst hohen Raum-Zeit-Ausbeuten. Für die Optimierung der Biotenside und des Fermentations- und Aufarbeitungsverfahrens verfolgen wir verschiedene Ansätze:

  • Aufklärung der gebildeten Biotensidstrukturen
  • Optimierung der Bioprozessführungsstrategien
  • Enzymatische Modifikation der produzierten Biotenside
  • Genetische Modifikation der spezifischen Stoffwechselwege der eingesetzten Mikroorganismen

Ergebnisse und Ausblick

Multifermentersystem zur Optimierung von Kultivierungsbedingungen.
Multifermentersystem zur Optimierung von Kultivierungsbedingungen.

Durch Prozessoptimierung des Herstellungsverfahrens für die beiden Biotenside CL und MEL erreichen wir gegenwärtig Produktkonzentrationen von > 20 g/l für CL und 50 g/l für MEL. Diese wurden vom Schüttelkolben in den Reaktormaßstab (1 L, 10 L, 42 L) übertragen. Dabei wurden verschiedene Kultivierungsmethoden, Substrate und Aufarbeitungsstrategien untersucht.

Die derzeitig erzeugten Mengen reichen für umfassende anwendungstechnische Untersuchungen der jeweiligen Biotenside. Durch enzymatische und chemische Modifizierung wurden die hydrophilen bzw. hydrophoben Eigenschaften der erzeugten Glykolipide gezielt verändert und so die emulsionsstabilisierende Wirkung und Löslichkeit erhöht. Der Fermentationsprozess wird derzeit weiter verbessert, um eine Produktion mit möglichst hoher Raum-Zeit-Ausbeute zu erreichen.

Abtrennung der Schaumfraktion während der Fermentation, Ustilago maydis und Cellobioselipid-Kristalle, aufgereinigtes Cellobioselipid.
Abtrennung der Schaumfraktion während der Fermentation, Ustilago maydis und Cellobioselipid-Kristalle, aufgereinigtes Cellobioselipid.

Strategien zur Schaumvermeidung

Bei MEL untersuchen wir gegenwärtig verschiedene Methoden, um die Schaumbildung bei der Fermentation zu vermeiden. Für CL konnten wir durch kontinuierliche Abtrennung des während der Fermentation entstehenden Schaumes eine Fraktion mit hoher Cellobioselipid-Konzentration sammeln. Wird diese Schaumfraktion direkt aufgereinigt, so benötigt man für die Extraktion der Cellobioselipide, im Vergleich zur herkömmlichen Aufreinigung des gesamten Reaktorinhalts, nur noch sieben Prozent der Lösemittelmenge.

 

Softwaregestützte Prozessoptimierung

Die einzelnen Prozessschritte werden nun mittels Lebenszyklusanalyse und einer techno-ökonomischen Evaluierung entwicklungs­begleitend bewertet. Für prozesstechnische Stellschrauben, die mithilfe dieser Bewertungen identifiziert werden, erfolgt danach eine experimentelle Validierung. Die hierdurch ermittelten Erkenntnisse dienen der stetigen Verbesserung der Ökonomie und Ökologie des Gesamtprozesses.

 

Ausblick

Parallel erforschen wir Genome und Transkriptome vielversprechender Produktionsstämme mit Next-Generation-Sequencing-Methoden, um den Biotensidmetabolismus und seine Regulationsmechanismen aufzuklären und über Metabolic Engineering das Produktspektrum und die Produktivität der Stämme zu verändern.

Publikationen

Oraby, A., Hug, D., Weickardt, I., Maerz, L., Nebel, S., Kurmann, J., Rupp, S., Tovar, G. E. M. (2023). Fermentation and recovery of cellobiose lipids using foam fractionation. Discover Chemical Engineering 3. https://doi.org/10.1007/s43938-022-00015-0

Oraby, A., Weickardt, I., Zibek, S., (2022). Foam fractionation methods in aerobic fermentation processes. Biotechnology and Bioengineering, 119. https:// doi.org/10.1002/bit.28102

Beck, A., Vogt, F., Hagele, L., Rupp, S., and Zibek, S. (2022). Optimization and Kinetic Modeling of a Fed-Batch Fermentation for Mannosylerythritol Lipids (MEL) Production With Moesziomyces aphidis. Front Bioeng Biotechnol 10, 913362. https://doi.org/10.3389/fbioe.2022.913362

Oraby, A., Rupp, S., and Zibek, S. (2022). Techno-Economic Analysis as a Driver for Optimisation of Cellobiose Lipid Fermentation and Purification. Front Bioeng Biotechnol 10, 913351

Oraby, A., Werner, N., Sungur, Z., Zibek, S. (2020). Factors Affecting the Synthesis of Cellobiose Lipids by Sporisorium scitamineum. Front Bioeng Biotechnol  8. https://doi.org/10.3389/fbioe.2020.555647

Beck, A., and Zibek, S. (2020). Mannosylerythritollipide — mikrobielle Biotenside aus dem Bioreaktor. BIOspektrum 26, 100-102. https://doi.org/10.1007/s12268-020-1332-3

Beck, A., Haitz, F., Grunwald, S., Preuss, L., Rupp, S., and Zibek, S. (2019). Influence of microorganism and plant oils on the structure of mannosylerythritol lipid (MEL) biosurfactants revealed by a novel thin layer chromatography mass spectrometry method. J Ind Microbiol Biotechnol 46, 1191-1204. https://doi.org/10.1007/s10295-019-02194-2

Beck, A., Werner, N., and Zibek, S. (2019). "Chapter 4 - Mannosylerythritol Lipids: Biosynthesis, Genetics, and Production Strategies," in Biobased Surfactants (Second Edition), eds. D.G. Hayes, D.K.Y. Solaiman & R.D. Ashby. AOCS Press), 121-167. https://doi.org/10.1016/B978-0-12-812705-6.00004-6

Günther, M., Grumaz, C., Lorenz, S., Stevens, P., Lindemann, E., Hirth, T., Sohn, K., Zibek, S., and Rupp, S. (2015). The transcriptomic profile of Pseudozyma aphidis during production of mannosylerythritol lipids. Appl Microbiol Biotechnol 99, 1375-1388. https://doi.org/10.1007/s00253-014-6359-2

Referenzprojekte

Allianz Biotenside – Innovationsallianz Biotenside

Ziel der Allianz ist es, funktionsoptimierte Biotenside wirtschaftlich mit biotechnologischen Methoden aus heimischen nachwachsenden Roh- und Reststoffen herzustellen. Die Herstellung und Aufreinigung solcher Biotenside sollen so optimiert werden, dass diese in den Anwendungsbereichen Wasch- und Reinigungsmittel, Kosmetik, Bioremediation, Pflanzenschutz und Lebensmittel alternativ zu chemisch synthetisierten Tensiden eingesetzt werden können.

Laufzeit Phase 1: Januar 2018 – Dezember 2020

Laufzeit Phase 2: Juli 2021 – Juni 2024

SurfGlyco –

Verbesserte Strategien zur biotechnologischen Herstellung maßgeschneiderter Biotensidee

 

In Reinigungsmitteln, Kosmetika und Körperpflegeprodukten kommen Tenside zum Einsatz. Aufgrund des steigenden Bedarfs an Biotensiden arbeitet das Fraunhofer IGB daran, deren mikrobielle Herstellung aus Zuckern zu optimieren. Darüber hinaus ist es gelungen, Methoden zur Produktaufarbeitung zu etablieren, die entweder nicht‑toxische Lösungsmittel einsetzen oder ganz auf diese verzichten können und zudem das Potenzial haben, zusätzliche Anwendungsgebiete zu erschließen.

 

Laufzeit: Mai 2016 – April 2019

 

O4S – Organic for surfactants

 

Das Projekt »Organic for surfactants (O4S)« zielt darauf ab, eine nachhaltige Alternative für chemisch und zumeist aus Erdöl hergestellte Tenside zu entwickeln.

 

Laufzeit: Januar 2012 – Dezember 2014

BioSurf – Biotenside aus Mikroorganismen

 

Im Projekt BioSurf entwickelt das Fraunhofer IGB mit seinen Projektpartnern Biotenside aus Mikroorganismen sowie enzymatisch hergestellte Tenside auf der Basis nachwachsender Rohstoffe.

 

Laufzeit: 2011 – 2014