InBiRa – die Insektenbioraffinerie: Von der Verwertung organischer Reststoffe und Abfälle bis hin zur Herstellung von Produkten

Im Projekt InBiRa wird erstmals eine Insektenbioraffinerie gebaut, in welcher Abfall- und Restströme in neue hochwertige Produkte umgewandelt werden.

Möglich machen es die Insektenlarven der schwarzen Soldatenfliege. Die Larven bestehen aus Proteinen, Fetten und Chitin, woraus neue Produkte hergestellt werden können.

Larven der Schwarzen Soldatenfliege
© Fraunhofer IGB
Larven der Schwarzen Soldatenfliege
Larvenhäute
© Fraunhofer IGB
Larvenhäute sind eine mögliche Quelle für Chitin

Lösungsansatz

Zunächst werden die Abfall- und Restströme aus dem Lebensmittelbereich, zum Beispiel überlagerte Lebensmittel oder Essensreste aus Kantinen, so aufbereitet, dass diese die Insektenlarven effizient verwerten können und schnell heranwachsen. Im Anschluss werden die Larven weiterverarbeitet.

Kraftstoffe, Kosmetik, Reinigungsmittel, Kunststoff und Pflanzendünger aus Abfall- und Reststoffen

Die Insektenbiomasse ist reich an Fett und Proteinen und wird in der Insektenbioraffinerie in verschiedene Fraktionen aufgetrennt:

  • Das Rohfett kann zu Schmierstoffen, Kraftstoffen oder Reinigungsmitteln umgesetzt werden. Der besondere Vorteil: Das Rohfett besitzt durch seinen hohen Anteil an Laurinsäure eine ähnliche Fettsäurezusammensetzung wie Kokos- oder Palmkernöl und bietet somit eine Alternative zu tropischen Ölen.
  • Der Proteinanteil der Insekten dient der Herstellung von Klebstoffen, Bindemitteln, Beschichtungen oder Verpackungsfolien. Die Reste, welche bei der Aufbereitung der Insektenlarven entstehen, werden auf andere Verwertungswege hin untersucht – wie die Gewinnung von Chitosan oder die Nutzung als Düngemittel. Chitosan ist ein abbaubares Biopolymer, das beispielsweise zur Herstellung von Schutzfilmen für Kleidungsstücke verwendet werden kann.

Das Projekt InBiRa untersucht die Machbarkeit der Herstellung sowie die Marktfähigkeit verschiedener Produkte aus den raffinierten Insektenlarven in enger Kooperation mit möglichen Nutzergruppen. Zudem wird der gesamte Herstellungsprozess einer umfassenden Nachhaltigkeitsbewertung und Ökobilanzierung unterzogen.

InBiRa, eine neue Insekten-Bioraffinerie, setzt organische Reststoffe und Bioabfälle als wertvolle Rohstoffe ein und wandelt sie in technisch nutzbare höherwertige Produkte um.
© Fraunhofer IGB
InBiRa, eine neue Insekten-Bioraffinerie, setzt organische Reststoffe und Bioabfälle als wertvolle Rohstoffe ein und wandelt sie in technisch nutzbare höherwertige Produkte um.

Video: Die Insektenbioraffinerie

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Ergebnisse: Insektenbioraffinerie-Pilotanlage zur Nutzung aller Fraktionen

Im Projekt InBiRa wurde erstmals eine Insektenbioraffinerie als Pilotanlage aufgebaut, in welcher organische Reststoffe und Abfälle in neue, technisch nutzbare Produkte umgewandelt werden können.

Im Projekt wurde dazu in den Räumlichkeiten des Fraunhofer IGB ein Insektenbioraffinerie-Anlagenkomplex geplant, gebaut und in Betrieb genommen, der alle benötigten Prozessschritte umfasst. Das Prinzip einer Bioraffinerie weist – bis auf die verwendeten Rohstoffe – Ähnlichkeiten mit dem einer Erdölraffinerie auf, in der ein komplex zusammengesetzter Rohstoff in einzelne Fraktionen oder Komponenten getrennt wird. In der Anlage wurden die jeweiligen Prozessschritte, angefangen bei der Futtermittelherstellung für die Mast der Larven (Farming), über die Trennung der Fett- und Proteinfraktion (Primärraffination) und deren Konversion bis zum jeweiligen chemischen Zwischenprodukt (Sekundärraffination) im Pilotmaßstab durchgeführt und evaluiert. Hierzu wurden ca. 20 Prozesseinheiten definiert, verfahrenstechnisch für die vorhandenen Stoffströme ausgelegt und schließlich aus den Investmitteln für die Pilotanlage beschafft. Die Prozesseinheiten umfassen dabei technische Prozesse wie z. B. Zerkleinerung, Siebung, Pressung, Trocknung, Mikrofiltration, Extraktion, Zentrifugation und Evaporation sowie mehrere Chemiereaktoren und einen Bioreaktor zu Konversion der erhaltenen Fette, Proteine und des Chitins.

InBiRa-Prozessschema
© Fraunhofer IGB
InBiRa-Prozessschema
InBiRa Reststoffe
© Fraunhofer IGB
Reststoffströme können in der Insektenbioraffinerie verwertet werden
Insektenlarven auf Substrat
© Fraunhofer IGB
Insektenlarven auf Substrat
Filterpresse mit Presskuchen
© Fraunhofer IGB
Mit einer Filterpresse werden getrocknete Larven gepresst. So kann flüssiges Insektenfett und proteinreicher Presskuchen gewonnen werden.

Abfallaufbereitung, Mast und Primärraffination

 

Zunächst wurden die Abfall- und Restströme so aufbereitet, dass diese von den Insektenlarven effizient verwertet werden konnten. Herausforderungen waren und sind hierbei unter anderem die saisonale Variabilität der Biotonne, das Entpacken ggf. verpackter Lebensmittelrückläufer, Rückstände von Pestiziden bei Obst und Gemüse aus nicht biologischer Landwirtschaft sowie Fehlwürfe (z. B. Besteck) bei Kantinenabfällen. Bei der Zusammenstellung der Futtermittel muss außerdem auf ein ausgewogenes Verhältnis der Nährstoffe und des Wassergehalts geachtet werden. Ist zu viel Wasser vorhanden, können die Larven ertrinken. Zu viel Fett im Futtermittel führt zu einer Phasenbildung und damit zu schlechtem und nicht reproduzierbarem Larvenwachstum, außerdem wird später die Separation der Larven vom Restsubstrat beeinträchtigt.

In einem speziellen Mastcontainer, welcher für die Insektenbioraffinerie ausgelegt wurde, wachsen anschließend junge Insektenlarven mit den aufbereiteten Abfall- und Reststoffen und setzen diese dabei in Biomasse um. Hierbei ist es entscheidend, auf eine gute Durchlüftung und Klimatisierung zu achten, sodass an jeder Stelle des Mastcontainers gleiche Bedingungen für das Larvenwachstum herrschen und das Substrat zum Ende der Mast eine passende Restfeuchtigkeit für die weitere Prozessierung besitzt.

Die auf den Abfall- und Reststoffen gewachsenen Insektenlarven werden im Zuge der Primärraffination zunächst durch Sieben vom Restsubstrat getrennt. Anschließend werden die Larven inaktiviert und getrocknet. Durch das nachfolgende Pressen der Larven wird zunächst eine grobe Fraktionierung in eine Fett- und eine Proteinfraktion ermöglicht. Das Rohfett kann anschließend durch weitere Prozessschritte gereinigt und für die jeweilige Weiterverwendung raffiniert werden. Die Proteinfraktion, der sog. Presskuchen, wird chemisch weiter entfettet, um möglichst reines Protein zu enthalten.

Neben den raffinierten Fett- und Proteinfraktionen verbleiben zudem mehrere Restfraktionen aus der Insektenbioraffinerie: nicht verwertetes Substrat und Exkremente der Larven (Frass), chitinhaltige Larvenhäute sowie adulte Fliegen. Diese Restfraktionen können im Zuge der Sekundärraffination ebenfalls zu wertvollen Rohstoffen umgesetzt werden.

Insektenfett und zerkleinerte Insektenlarven
© Fraunhofer IGB
Insektenfett und zerkleinerte getrocknete Insektenlarven
Produkte aus der Insektenbioraffinerie
© Fraunhofer IGB
Produkte aus der Insektenbioraffinerie
Produkte aus der Insektenbioraffinerie: Aus der Fettfraktion kann zum Beispiel Seife hergestellt werden (rechts)
© Fraunhofer IGB
Produkte aus der Insektenbioraffinerie: Aus der Fettfraktion kann zum Beispiel Seife hergestellt werden (rechts)

Sekundärraffination zu Zwischenprodukten für Kraftstoffe, Kosmetika, Reinigungsmittel, Kunststoffe und Pflanzendünger 

 

Für die Umwandlung der drei Fraktionen aus der Primärraffination (Fett, Protein, Restfraktion) in höherwertige Produkte, die Sekundärraffination, haben die Projektpartner jeweils spezifische Verfahrensschritte erarbeitet.

Die Fettfraktion kann durch chemische oder mikrobielle Konversion zu Vorläufermolekülen für Schmierstoffe oder Kraftstoffe sowie zu Biotensiden oder Seifen für Reinigungs- und Pflegeprodukte umgesetzt werden. Der besondere Vorteil dabei ist, dass das Fett der Schwarzen Soldatenfliege durch seinen hohen Anteil an Laurinsäure eine ähnliche Fettsäurezusammensetzung wie Kokos- oder Palmkernöl besitzt und somit eine lokale Alternative zu tropischen Ölen bietet.

Die Proteinfraktion kann zukünftig über Quervernetzung zur Herstellung von Verbundmaterialien für die Agronomie (z. B. abbaubare Pflanzgefäße) oder auch als Holzklebstoffe oder Beschichtungen verwendet werden. Hydrolysiertes Protein findet zudem in Kosmetik- oder Pflegeprodukten Anwendung.

Auch die Reststoffe, welche bei der Zucht und Aufbereitung der Insektenlarven entstehen, werden verwertet. Das Restsubstrat enthält vor allem Cellulose, Insektenexkremente oder Larvenhäutungsprodukte. Während die Larvenhäutungsprodukte zur Isolierung von Chitin bzw. Chitosan bilanziert und genutzt wurden, wurde das Restsubstrat, der sog. Frass, hinsichtlich der Vergärung zu Biogas und der Rückgewinnung von Nährstoffen zur Düngemittelherstellung untersucht. 

Marktfähigkeit und ganzheitliche Bewertung

 

Übergreifend wurde im Projekt InBiRa die Machbarkeit der Herstellung verschiedener Produkte aus den raffinierten Insektenlarven der Schwarzen Soldatenfliege untersucht. Gespräche zur Marktfähigkeit der neuen Technologien mit verschiedenen Nutzergruppen offenbarten ein großes Interesse an einer großtechnischen Insektenbioraffinerie für die Verwertung biogener Abfallströme. Zudem wurde der gesamte Herstellungsprozess einer umfassenden Nachhaltigkeitsbewertung und Ökobilanzierung unterzogen.

Film über InBiRa in der SWR Mediathek / 15.10.2024

Recycling mit Insektenlarven: Aus Biomüll werden nachhaltige Rohstoffe

 

Abschlussbroschüre 2024

InBiRa – die Insektenbioraffinerie

Projektinformationen

Projekttitel

InBiRa – die Insektenbioraffinerie: Von der Verwertung organischer Reststoffe und Abfälle bis hin zur Herstellung von Produkten für Bereiche Kraftstoff, Kosmetik, Reinigungsmittel, Kunststoff und Pflanzendünger

 

Projektlaufzeit

Oktober 2021 – Oktober 2024

 

Projektpartner

  • Fraunhofer-Institut für Grenzflächen- und Bioverfahrenstechnik IGB, Stuttgart (Koordination)
  • Hermetia Baruth GmbH, Baruth/Mark Brandenburg
  • ifeu – Institut für Energie- und Umweltforschung Heidelberg gGmbH
  • Universität Stuttgart, Institut für Grenzflächenverfahrenstechnik und Plasmatechnologie
  • Universität Stuttgart, Institut für Siedlungswasserbau Wassergüte- und Abfallwirtschaft
  • PreZero Stiftung & Co. KG, Neckarsulm (assozierter Partner)
 

InBiRa-Update

Blick hinter die Kulissen der Insektenbioraffinerie

In einem regelmäßigen LinkedIn-Newsletter berichten wir über die Fortschritte in der Pilotierung der Insektenbioraffinerie »InBiRa« am Fraunhofer IGB.