SmartBioH2-BW – Biowasserstoff aus industriellen Abwasser- und Reststoffströmen als Plattform für vielseitige Biosynthesewege

Eine Bioraffinerie in eine bestehende Industrieumgebung am Standort der Evonik Operations GmbH in Rheinfelden zu integrieren, ist Ziel des Projekts SmartBioH2-BW. Mittels zweier miteinander verknüpfter biotechnologischer Verfahren (Purpurbakterien und Mikroalgen) sollen aus anfallenden industriellen Abwasser- und Reststoffströmen Biowasserstoff und weitere biobasierte Produkte erzeugt werden. 

Lösungsansatz

Die Bioraffinerie basiert auf zwei Verfahren der biotechnologischen Wasserstofferzeugung, die miteinander verknüpft sind:

  • In einem geschlossenem Bioreaktor werden unter Verwendung von Purpurbakterien Wasserstoff (H2) und weitere Produkte wie Carotinoide gewonnen. Als Nebenprodukt fällt Kohlenstoffdioxid (CO2) an.
  • Das Kohlenstoffdioxid wird der angekoppelten Mikroalgenanlage zugeführt. Dort wird es in der Algenbiomasse gebunden – unter Freisetzung von weiterem Wasserstoff oder sonstigen Produkten wie Stärke. Neben der Bindung des Kohlenstoffdioxids dient der Prozess dazu, die Wasserstoff-Ausbeute zu steigern und die Produktpalette der Bioraffinerie zu erweitern.

Die Bioraffinerie soll über den gesamten Planungs- und Entwicklungsprozess hinweg nach ökologischen, wirtschaftlichen und sozialen Kriterien analysiert und optimiert werden. Die Projektpartner:innen entwickeln eine auf weitere »Biofabriken« übertragbare, ganzheitliche Bewertungssystematik, mit der die relevanten Umweltauswirkungen und wirtschaftlichen Zusammenhänge erfasst werden können.

Prozessschema im Projekt SmartBioH2-BW
© Fraunhofer IGB
Im Projekt SmartBioH2-BW wird mittels zweier miteinander verknüpfter biotechnologischer Verfahren (Purpurbakterien und Algen) aus anfallenden industriellen Abwasser- und Reststoffströmen Biowasserstoff und weitere Produkte wie beispielsweise Carotinoide, PHA und Stärke erzeugt werden.

Verfahrensmodul Purpurbakterien

Die Versorgung der Purpurbakterien mit Licht als Energiequelle für die Photosynthese stößt in großtechnischen Anlagen an Grenzen. Das Fraunhofer IGB, Koordinator und Projektpartner von SmartBioH2-BW, setzt daher auf die sogenannte »mikroaerobe Dunkelfermentation«, auch »Dunkelphotosynthese« genannt, des Purpurbakteriums Rhodospirillum rubrum. So ist die Produktion weder von der Tageszeit noch künstlicher Beleuchtung abhängig und der Prozess kann einfacher auf einen größeren Maßstab übertragen werden.

 

Purpurbakterium Rhodospirillum rubrum im Schüttelkolben
© Fraunhofer IGB
Das Purpurbakterium Rhodospirillum rubrum ist fakultativ phototroph und kann mit Licht wie auch mit einfachen organischen Substraten als Energiequelle wachsen.
Purpurbakterium Rhodospirillum rubrum im 1-Liter-Bioreaktor
© Fraunhofer IGB
Rhodospirillum rubrum im 1-Liter-Bioreaktor
Versuchsanordnung mit <i>Rhodospirillum rubrum</i> in 1-Liter-Bioreaktoren
© Fraunhofer IGB
Erste Versuche mit Rhodospirillum rubrum unter Laborbedingungen in 1-Liter-Bioreaktoren

Mikroaerobe Dunkelfermentation mit Rhodospirillum rubrum

Bei der Dunkelfermentation wird der Stoffwechsel des Bakteriums im Dunkeln und unter mikroaeroben Bedingungen (niedriger Sauerstoffgehalt) in einen besonderen Zustand versetzt, in dem auch ohne Licht photosynthetische Membranen gebildet werden. Das Bakterium färbt sich purpur. Statt aus Sonnenlicht gewinnen die Bakterien die zur Wasserstoffherstellung benötigte Energie aus Kohlenstoffverbindungen. Durch den besonderen Stoffwechselzustand wird ein höheres Energieniveau erreicht.

Diese zusätzliche Energie kann genutzt werden, um die Wasserstoffproduktion zu steigern. Mit der mikroaeroben Dunkelfermentation und der Entkopplung der H2-Bildung vom Licht wird es möglich, den Prozess einfacher auch auf größere Anlagen zu übertragen.

 

Geschlossener 50-Liter-Edelstahl-Bioreaktor
© Fraunhofer IGB
Geschlossener 50-Liter-Edelstahl-Bioreaktor zur Kultivierung der Purpurbakterien in einem größeren Maßstab

Umsetzung in der SmartBioH2-Demonstrationsanlage

In der Demonstrationsanlage in Rheinfelden werden die Purpurbakterien unter Ausschluss von Licht in einem geschlossenen Bioreaktor aus Edelstahl kultiviert. Als Kohlenstoffsubstrat dient Ethanol, das in größeren Mengen in einem am Standort anfallenden Spülwasser enthalten ist. Neben Wasserstoff entstehen dabei auch weiter nutzbare Carotinoide, das Biopolymer PHA sowie CO2 als Nebenprodukt.

Eine Herausforderung im Betrieb ist insbesondere eine präzise Kontrolle der mikroaeroben Bedingungen bei der Fermentation, da die wasserstoffproduzierenden Enzyme der Purpurbakterien sehr sauerstoffempfindlich sind.

Verfahrensmodul Mikroalgen

Mikroskopische Aufnahme der Mikroalge Chlorella, 1000-fache Vergrößerung.
© Fraunhofer IGB
Mikroskopische Aufnahme der Mikroalge Chlorella, 1000-fache Vergrößerung.

Um die Emission von CO2 zu vermeiden, wird das als Nebenprodukt im Purpurbakterien-Modul entstehende CO2 der angekoppelten Mikroalgenanlage zugeführt. Die Mikroalgenbiotechnologie wird am Fraunhofer IGB seit vielen Jahren untersucht. Mikroalgen können photosynthetisch mit CO2, Licht und anorganischen Nährstoffen, wie Ammonium und Phosphat, wachsen und Biomasse oder Speicherprodukte aufbauen.

© Fraunhofer IGB
Das im Prozess von den Purpurbakterien gebildete Kohlenstoffdioxid wird der angekoppelten Mikroalgenanlage zugeführt.

Umsetzung mit automatisiertem kompaktem Photobioreaktor 

In der SmartBioH2-Demonstrationsanlage werden Mikroalgen der Spezies Chlorella sorokiniana in einem mittels LED beleuchteten kompakten Photobioreaktor kultiviert. Der Reaktor zeichnet sich durch einen hohen Automatisierungsgrad aus und bietet viel Volumen auf nur wenig Fläche.

Das Verfahren wird so betrieben, dass die Mikroalgen aus dem anfallenden CO2 Stärke als nutzbares Produkt herstellen. Die benötigten Nährstoffe stammen aus einem zweiten bei Evonik in Rheinfelden anfallenden Reststoffstrom: Ammoniumchlorid. 

Zu einem späteren Zeitpunkt soll in diesem Photobioreaktor ebenfalls die Spezies Chlamydomonas reinhardtii kultiviert werden, um die Biomasse für den Schritt der Wasserstoffproduktion durch Mikroalgen bereitzustellen.

 

Wasserstoffproduktion mittels Direkter Photolyse

Die Wasserstoffbildung erfolgt bei Mikroalgen durch die sogenannte Direkte Photolyse: Dabei wird aus Wasser mithilfe von Lichtenergie Wasserstoff und Sauerstoff erzeugt. Die Herausforderung besteht unter anderem in der laufenden Entfernung des Sauerstoffs aus dem System, da Sauerstoff die Wasserstoffproduktion inhibiert. 

Ein gänzlich neuer Photobioreaktortyp, der hierzu entwickelt wurde, wird in wenigen Wochen in die Bioraffinerie integriert, um die Gesamtausbeute an Biowasserstoff weiter zu erhöhen. 

Projektinformationen

Projekttitel

SmartBioH2-BW – Biowasserstoff aus industriellen Abwasser- und Reststoffströmen als Plattform für vielseitige Biosynthesewege

 

Projektlaufzeit

November 2021 – Oktober 2024

 

Projektpartner

  • Fraunhofer-Institut für Grenzflächen- und Bioverfahrenstechnik IGB, Stuttgart (Koordination)
  • Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik und Automatisierung IPA, Stuttgart
  • Universität Stuttgart, Institut für Biomaterialien und biomolekulare Systeme IBBS
  • Universität Stuttgart, Institut für Energieeffizienz in der Produktion EEP
  • Evonik (assoziierter Partner)