Infektionsvorgänge untersuchen an »künstlicher« Haut

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Aus humanen Hautzellen haben Forscher am Fraunhofer IGB ein in-vitro-Infektionsmodell entwickelt, mit dem die Virulenz von verschiedenen Stämmen des humanpathogenen Pilzes Candida albicans, aber auch von anderen Krankheitserregern wie Bakterien, Viren oder Parasiten untersucht werden kann. Das Modell auf der MEDTEC in Stuttgart vom 9.-11. März 2004 vorgestellt.

Infektion rekonstituierter Haut (A) mit einem klinischen Isolat von C. albicans (B) oder einem nicht virulentem Stamm (C). Das klinische Isolat zerstört die schützende Keratinozyten-Schicht und dringt in der Hyphenform in das Hautmodell nach 48h ein und zerstört es. Nicht-virulente Candida bilden keine Hyphen und sind nicht in der Lage in das Gewebe einzudringen. Sie sind nur auf der Oberfläche des Hautequivalents nachzuweisen (C).

Aus humanen Hautzellen haben Forscher am Fraunhofer IGB ein in-vitro-Infektionsmodell entwickelt, mit dem die Virulenz von verschiedenen Stämmen des humanpathogenen Pilzes Candida albicans, aber auch von anderen Krankheitserregern wie Bakterien, Viren oder Parasiten untersucht werden kann.
Das Modell wird auf der MEDTEC vom 9.-11. März 2004 in Stuttgart vorgestellt.

Einer der häufigsten infektiösen Keime ist der humanpathogene Pilz Candida albicans. Gegen viele verwendeten Medikamente ist der Pilz bereits resistent, so dass weltweit an neuen Medikamenten gegen die Pilzinfektion geforscht wird. Die Arbeitsgruppe »Genomics – Proteomics – Screening« um Dr. Steffen Rupp am Fraunhofer-Institut für Grenzflächen- und Bioverfahrenstechnik IGB geht dabei den Weg, die Proteine zu suchen und zu identizieren, die für die Infektionstüchtigkeit – die Virulenz – des Pilzes verantwortlich sind. Mit Hilfe verschiedener Strategien haben die Forscher mehrere Proteine gefunden, die nur in der pathogenen Form von Candida albicans vorkommen. Um zu überprüfen, welche Rolle diese Proteine bei der Infektion wirklich spielen, werden Deletionsmutanten erzeugt, indem das Gen für das fragwürdige Protein entfernt wird.

Die so entstehenden Stämme, denen genau ein Protein fehlt, können in Studien mit Mäusen auf ihre Virulenz überprüft werden. Ein Nachteil hierbei ist jedoch, dass Mäuse in der Natur nicht von Candida-Zellen befallen werden und es unklar ist, inwieweit die Ergebnisse auf den Menschen übertragen werden können. In hausinterner Zusammenarbeit mit der Abteilung »Zellsysteme« entwickelten die Forscher daher ein Modellsystem der menschlichen Haut, das es ermöglicht, Infektionsvorgänge von Krankheitserregern zu verfolgen und zu untersuchen. Das Modell wird aufgebaut aus dermalen Fibroblasten, die – eingebettet in eine Biomatrix aus gewebetypischen Matrixproteinen – die Grundlage für die darauf ausgesäten Keratinozyten bilden. Nach mehrwöchiger Kulturdauer differenzieren die Keratinozyten zu einer mehrschichtigen Epidermis mit abschließender Hornschicht (Stratum corneum). Das Modell weist organspezifische Eigenschaften auf und eignet sich zur Erforschung von Erkrankungen, die durch Mikroorganismen wie Pilze und Bakterien und sogar Viren und Parasiten hervorgerufen werden.

Auch ein Modellsystem des menschlichen Dickdarms, bestehend aus humanen, malignen Enterozyten und Fibroblasten, haben die Forscher bereits entwickelt. Während sich das Hautmodell besser für Invasionsstudien eignet, können mit dem Darmmodell insbesondere Adhäsionsvorgänge untersucht werden. »Wir haben mit Hilfe dieser in-vitro-Assays Proteine identifiziert, die für die Hyphenbildung von Candida albicans und die Infektion des Gewebes notwendig sind«, sagt Wissenschaftler Rupp. Die Hyphen ermöglichen dem Pilz, in Organe einzuwandern und aus Immunzellen zu entkommen. »Die an der Hyphenbildung beteiligten Proteine sind für die Pathogenität des Pilzes essenziell und somit ideale Zielmoleküle für eine medikamentöse Blockierung«, so Rupp.

Die in-vitro-Modelle erlauben Einblicke in zentrale Mechanismen der Virulenz, die mit Tierversuchen nur schwer erzielt werden können: So kann die Adhäsion der Erreger an die Wirtszellen und die anschließende Invasion oder Penetration der Zellen genau verfolgt werden – also die Rolle einzelner Proteine bei der Infektion bestimmt werden. »Die Modelle ergänzen so Tierversuche oder helfen, sie zu vermeiden. Darüber hinaus können sie auch für die Wirkstoffsuche eingesetzt werden« sagt Hans-Georg Eckert, Leiter der Abteilung »Zellsysteme«.

Das Modell wird auf der diesjährigen MEDTEC, vom 9.-11. März 2004 in Stuttgart, am Stand der Fraunhofer-Gesellschaft, Halle 4.0, Stand 617, vorgestellt. Derzeit entwickeln die Forscher ein Hautmodell für die Krebsforschung, mit dem z. B. der Einfluss von Wachstumsfaktoren auf das Invasionsverhalten von Hauttumoren oder die Wirksamkeit möglicher Tumortherapeutika untersucht werden können.