N2B-Patch – Entwicklung einer intranasalen Therapieform für die Behandlung von Multipler Sklerose

Intranasale Applikationsplattform für ZNS-aktive Biopharmazeutika

Wirksame Arzneimittel zur Behandlung von Erkrankungen des zentralen Nervensystems (ZNS) – neben Multipler Sklerose (MS) können dies die Folgen eines Schlaganfalls sein, neurodegenerative Erkrankungen oder Tumore – gibt es. Doch die Blut-Hirn-Schranke (BHS), die das Gehirn als Schaltzentrale des Körpers schützt, lässt vor allem therapeutische Biomoleküle nur schwer passieren. Abhilfe schaffen kann hier der Nose-to-Brain-Transport über den Riechnerv, welcher die direkte Passage therapeutischer Antikörper ins ZNS ermöglicht. In dem vom Fraunhofer IGB koordinierten Projekt N2B-patch wurde hierzu eine intranasale Applikationsplattform für ZNS-aktive Biopharmazeutika entwickelt.

N2B-patch.
N2B-Patch Durchflusszelle.
© Fraunhofer IGB
Durchflusszelle zur Bestimmung der Wirkstofffreisetzung nach USP 4.

Wirksame Arzneimittel zur Behandlung von Erkrankungen des zentralen Nervensystems (ZNS) – neben Multipler Sklerose (MS) können dies die Folgen eines Schlaganfalls sein, neurodegenerative Erkrankungen oder Tumore – gibt es. Doch die Blut-Hirn-Schranke (BHS), die das Gehirn als Schaltzentrale des Körpers schützt, lässt vor allem therapeutische Biomoleküle nur schwer passieren. Abhilfe schaffen kann hier der Nose-to-Brain-Transport über den Riechnerv, welcher die direkte Passage therapeutischer Antikörper ins ZNS ermöglicht [1].

Für Patienten könnte mit dieser neuartigen Therapieform eine weniger belastendende Behandlung zur Verfügung stehen, da mit geringeren Nebenwirkungen zu rechnen ist und das Medikament in zeitlich größeren Abständen und ohne Krankenhausaufenthalt verabreicht werden kann.

Ziel des vom Fraunhofer IGB koordinierten EU-Verbundprojektes »N2B-patch« war die Entwicklung einer medizinischen Therapieform zur Wirkstoffverabreichung über die Regio olfactoria. An dieser Stelle ist das Gehirn mit der umgebenden Flüssigkeit nur durch das Siebbein und einige Zellschichten von der Nasenhöhle getrennt.

 

Neuartiges Gelpflaster für den Nose-to-Brain-Transport

Eine neue, im EU-Projekt N2B-Patch entwickelte Therapieform besteht aus verschiedenen Komponenten: dem Wirkstoff selbst, einer den Wirkstoff enthaltenden Formulierung, einem Hydrogel als Trägermaterial und einem passenden Applikator zum Einbringen des Gelpflasters (Patch). Die Freisetzung des im Gel-Patch enthaltenen Wirkstoffs erfolgt über einen längeren Zeitraum hinweg; der Patch löst sich schließlich auf und muss nicht wieder entfernt werden. Für eine langfristige Behandlung wird ein neuer Patch eingeführt.

 

Rasterelektronenmikroskopische (REM) Aufnahme von sprühgetrockneten Chitosan-Partikeln, Vergrößerung 25 000 X
© Fraunhofer IGB
Rasterelektronenmikroskopische (REM) Aufnahme von sprühgetrockneten Chitosan-Partikeln, Vergrößerung 25 000 X

Formulierung des Wirkstoffs

Das Fraunhofer IGB entwickelte die finale Formulierung des klinischen Antikörpers und war an der Prozessentwicklung zum Einbringen in das Gel beteiligt. Die Wirkstoffe, monoklonale Antikörper (mAbs), wurden mittels Sprühtrocknung in Chitosan als Matrixmaterial verkapselt. Hierbei konnten wir eine hohe Verkapselungseffizienz von bis zu 90 Prozent erreichen – unter Beibehaltung der Bioaktivität und der strukturellen Integrität des Wirkstoffs. Die Lagerstabilität der Formulierung bei Raumtemperatur beträgt bis zu vier Wochen. In Versuchen mit Schweine-Epithel konnte gezeigt werden, dass es durch den Einsatz von Chitosan als Kapselmaterial 15 Minuten nach der Ex-vivo-Applikation der Formulierung an der Riechschleimhaut von Schweinen zu einer Öffnung der Tight Junctions kommt [2]. Präklinische Proof-of-Concept-Studien in Mini-Schweinen zeigten ein kontrolliertes Freisetzungsprofil des Patches und wiesen die Bioverfügbarkeit im ZNS nach.

Die Applikation von Chitosanpartikeln (NiM) bewirkt eine Öffnung der Tight Junctions in der Riechschleimhaut und ermöglicht einen parazellulären Transport.
© Fraunhofer IGB
Die Applikation von Chitosanpartikeln (NiM) bewirkt eine Öffnung der Tight Junctions in der Riechschleimhaut und ermöglicht einen parazellulären Transport.

 

Neue Formulierung mit hoher Verkapselungseffizienz als Plattformtechnologie für ZNS-Therapeutika

Das Fraunhofer IGB hat hier eine Formulierung mit hoher Verkapselungseffizienz entwickelt, die lagerstabil bei Raumtemperatur ist und deren Produktion in den industriellen Maßstab übertragen werden kann. Diese stellt ein vielversprechendes neues System zur Verbesserung der Formulierung von Biologika und der damit verbundenen therapeutischen Herausforderungen dar und könnte in Zukunft (mit und ohne Gel-Patch) als potenzielle Plattformtechnologie für andere Erkrankungen des ZNS eingesetzt werden – etwa zur Therapie von Schlaganfällen und Alzheimer – oder auch spezifischen Krebserkrankungen.

 

Ausblick          

Grundlegende Forschungsarbeiten gehen, auch über dieses konkrete Projekt hinaus, im Rahmen des vom Fraunhofer IGB koordinierten Marie-Sklodowska-Curie-Netzwerks »Bio2Brain« weiter. An diesem Netzwerk sind Nachwuchswissenschaftlerinnen und -wissenschaftler aus aller Welt beteiligt.

Referenzen

[1] Stützle, M.; Flamm, J.; Carle, S.; Schindowski, K. (2015) Nose-to-brain delivery of insulin for Alzheimer's disease, ADMET and DMPK 3(3), DOI: 10.5599/admet.3.3.184

[2] Spindler, L. M. et al. (2021) Nano-in-micro-particles consisting of PLGA, nanoparticles embedded in chitosan microparticles via spray drying enhances their uptake in the olfactory mucosa, Frontiers in Pharmacology 12, DOI: 10.3389/fphar.2021.732954

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In einem abschließenden, englischsprachigen Projektvideo beleuchtet das Konsortium die Ziele, die Herausforderungen und die Vorteile, die ein direkter Transportweg von der Nasenhöhle zum Gehirn unter Umgehung der Blut-Hirn-Schranke für die Verabreichung von Medikamenten über das zentrale Nervensystem bieten könnte. Darüber hinaus werden die neuesten Ergebnisse der Proof-of-Concept-Studie durch das N2B-Patch-Team vorgestellt.

Die Weiterentwicklung der Plattformtechnologie für die Behandlung anderer ZNS-Erkrankungen geht über das Ende des Projekts hinaus.

Projektinformationen

Projekttitel

N2B-Patch – Nose to Brain Delivery of an API via the Olfactory Region for the Regenerative Treatment of Multiple Sclerosis Using Novel Multifunctional Biomaterials Combined with a Medical Device

 

Projektlaufzeit

Januar 2017 – Dezember 2020

 

Kooperationspartner

  • Fraunhofer IGB, Koordinator
  • Contipro a.s., Dolní Dobrouč, Tschechien
  • MJR PharmJet GmbH, Überherrn, Deutschland
  • Hochschule Biberach, Biberach an der Riß, Deutschland
  • Centre for Research and Technology Hellas – CERTH, Thessaloniki, Griechenland
  • Beiter GmbH & Co. KG, Sigmaringendorf, Deutschland
  • Laboratorio Europeo di Spettroscopie Non Lineari, Florenz, Italien
  • JensonR+ Limited, London, Großbritannien
  • LGI Consulting Sàrl, Paris, Frankreich
  • The European Multiple Sclerosis Platform AISBL, Brüssel, Belgien
  • Universität Bern, Schweiz

Förderung

Die Forschungsarbeiten, die zu Ergebnissen in diesem Projekt führen, werden gemäß der Finanzhilfevereinbarung Nr. 721098 im Zuge des Rahmenprogramms für Forschung und Innovation Horizont 2020 der Europäischen Union gefördert.