Abfall als Ressource: Sekundärrohstoffe und Wasserwiederverwendung

Im Sinne einer nachhaltigen Bioökonomie und nach dem Vorbild natürlicher Stoffkreisläufe liefern unsere biotechnologischen und physikalisch-chemischen Entwicklungen zum Wertstoff- und Nährstoffrecycling (P, N) und zur Wasserwiederverwendung aus verschiedenen Abwasser-, Abfall- und Restströmen wichtige Beiträge. Für das Phosphorrecycling aus phosphatreichem Abwasser haben wir beispielsweise mit ePhos® einen elektrochemischen Prozess entwickelt und bis zum Pilotmaßstab demonstriert. 

Zudem entwickelt neue Verfahren, welche die selektive Trennung von Stoffen aus Stoffgemischen auf molekularer Ebene ermöglichen und so zur Rückgewinnung von Wertstoffen eingesetzt werden können.

Weitere Ansätze sind neue und verbesserte Technologien für die biotechnologische Herstellung von Wasserstoff aus industriellen Reststoffströmen, die sich mit der algenbiotechnologischen Verwertung (Carbon Capture and Utilization, CCU) des klimaschädlichen Kohlenstoffdioxids aus industriellen und landwirtschaftlichen Quellen koppeln lassen.

Rückgewinnung statt Entsorgung – Mehrwert generieren aus Abfallströmen

Für Eisenmetalle, Glas, Papier oder viele Kunststoffe sind heute bereits in großem Maßstab Recyclingverfahren etabliert. Doch für zahlreiche weitere Wertstoffe, insbesondere aus komplexen Bauteilen und Stoffmatrices, existieren – mangels geeigneter Aufbereitungsverfahren – bislang keine wirtschaftlichen Rückführungsprozesse. Ausgediente Elektronikprodukte etwa sind wahre Rohstofflager für Metalle wie Kupfer, Zink, Platin oder Gold und Seltene Erden wie Neodym und Dysprosium.

Aufbereitung von Roh- und Reststoffen

Unsere primären Rohstoffe sind endlich und werden vielfach weder nachhaltig noch sozial verträglich in politisch instabilen Regionen abgebaut. Um eine wachsende Weltbevölkerung mit Rohstoffen versorgen zu können und die Abhängigkeit vom Import der Rohstoffe zu mindern, erarbeiten wir Verfahren, um Sekundärrohstoffe aus Produktions- und Abfallströmen für eine Wiederverwendung zurückzugewinnen – in einer den Primärrohstoffen gleichwertigen Qualität und mit vergleichbarem Prozessaufwand bzw. Kosten.

Die möglichst selektive Trennung ist ein grundlegender und entscheidender Schritt sowohl in der primären als auch der sekundären Rohstoffaufbereitung. Die Schritte der Stofftrennung sind bisher aufwendig und bestimmen daher wesentlich die Betriebskosten, aber auch die Nachhaltigkeit der Prozesse. Um dieses Problem zu lösen, entwickelt das Fraunhofer IGB Verfahren, welche die Energie- und Kosteneffizienz im Vergleich zu etablierten Prozessen erheblich steigern oder die selektive Trennung bestimmter Rohstoffe erst ermöglichen.

Im Bereich Boden, organische Reststoffe (Gärreste, Gülle) und Wasser konzipieren und realisieren wir Prozesse für die Rückgewinnung und Aufarbeitung gelösten oder organisch gebundenen Phosphors als hochwertige Dünger. Die zurückbleibende nährstoffarme organische Fraktion arbeiten wir über verschiedene Verfahren wie Trocknung oder Pyrolyse zu humusbildenden Bodenverbesserern auf. 

Recycling von Phosphor- und Stickstoff-Nährstoffen als Dünger

Großer Handlungsbedarf besteht bei der Versorgung der Landwirtschaft mit Düngemitteln. Hier erarbeiten wir Prozesse, um wichtige Pflanzennährstoffe wie Phosphor und Ammonium aus Abwasser, Gülle, Gärresten und Klärschlämmen zurückzugewinnen. Dabei werden Verfahren erarbeitet und kombiniert, um die Nährstoffe so aufzuarbeiten oder zu pelletieren, dass sie direkt als hochwertige und anwendungsspezifische Dünger für die Landwirtschaft zur Verfügung stehen.

Für das Phosphorrecycling aus phosphatreichem Abwasser haben wir neben Fällungsverfahren einen rein elektrochemischen Prozess entwickelt, der Magnesium-Ammonium-Phosphat als direkt einsetzbaren Dünger liefert.

Düngemittel
© Fraunhofer IGB

Bodenverbesserer durch Aufarbeitung organischer Reststoffe

Organische Reststoffe wie Klärschlamm, Gärreste oder Gülle sind reich an gelösten Nährstoffen, enthalten aber auch organisch gebundenen Phosphor, den wir enzymatisch mobilisieren und zurückgewinnen. Die zurückbleibenden nährstoffarmen organischen Fraktionen arbeiten wir anschließend über verschiedene Verfahren zu rein organischen Bodenverbesserern auf. Die Verluste an organischer Substanz im Boden können damit ausgeglichen und die Bodenfruchtbarkeit verbessert werden.

Organische Düngemittel-Pellets aus vergorenen Reststoffen der Olivenölproduktion.

Abwasserreinigung zur Wasserwiederverwendung

Die Landwirtschaft zählt weltweit zu den größten Wasserverbrauchern – neue Konzepte und Verfahren für eine Wasserwiederverwendung daher gefragt. Anaerob gereinigtes Abwasser enthält nach dem Abbau der organischen Verbindungen noch reichlich anorganische Phosphat- und Ammoniumsalze – Nährstoffe, die in der Landwirtschaft dringend benötigt werden.  

Im Forschungsprojekt HypoWave hat das IGB mit Partnern untersucht, ob und wie sich anaerob gereinigtes kommunales Abwasser aufgrund seines Nährstoffgehalts auch für die hydroponische Pflanzenproduktion wiederverwenden lässt. Bei dieser Kultivierung von Gemüsepflanzen im Gewächshaus kommen die Setzlinge ohne Erde in ihren Pflanzgefäßen aus. Dadurch versickert kein Wasser in den Boden und es verdunstet weniger. Die Ergebnisse eines Pilotversuchs mit Salatpflanzen zeigen, dass nur eine geringe zusätzliche Nährstoffzufuhr für ein gutes Wachstum erforderlich ist – mit dem Abwasser also auch die darin enthaltenen Nährstoffe sinnvoll wieder genutzt werden.

HypoWave Salat
© © ISOE Wikom
Salat auf der HypoWave-Pilotanlage in Wolfsburg-Hattorf.

Rückgewinnung wertschöpfender Metalle für Hochtechnologie-Anwendungen

Das Recycling von Edelmetallen oder Seltenen Erden ist von großer wirtschaftlicher Bedeutung. Prozess- und Abwasserströme, z. B. aus Laugungsbädern der Galvanikindustrie, oder Deponiesickerwässer enthalten, wenn auch teilweise in nur geringer Konzentration, insgesamt signifikante Mengen an Metallen. Auch Feststoffe wie Aschen aus Verbrennungsprozessen enthalten mitunter Metalle als Stoffgemische. In diesen Fällen kann es von Vorteil sein, Metalle zunächst in Lösung zu bringen (Leaching), bevor sie anschließend aufkonzentriert und abgetrennt bzw. als Feststoff abgeschieden werden können. Die Ausgestaltung dieser Verfahrensschritte entscheidet über die Effizienz und Nachhaltigkeit des Gesamtprozesses. In Fraunhofer-Projekten konnten wir neue Technologien entwickeln und vorhandene optimieren, sodass uns nun ein breites Portfolio und Erfahrung in der Integration zu Prozessketten zur Verfügung steht.

Diese Technologien können auch zur Aufbereitung von Rohstoffen eingesetzt werden.

Herstellung von Biowasserstoff aus Reststoffströmen

»Grüner« Wasserstoff (H2), der mittels Elektrolyse von Wasser mit erneuerbaren Energien hergestellt wird, gilt als Schlüsselelement der Energiewende. Der Bedarf an regenerativ erzeugtem Wasserstoff für eine klimafreundliche Wirtschaft in Industrie, Verkehr und Wärmeversorgung ist enorm. Deutschland und Europa setzen daher vor allem auf Wasserstoffimporte aus südlichen Ländern mit ganzjährig ausreichender Sonneneinstrahlung.

Das Fraunhofer IGB geht in zwei aktuellen Projekten einen neuen Weg, um den klimaneutralen Energieträger und Industrierohstoff herzustellen: Mit biotechnologischen Verfahren, beispielsweise Mikroorganismen (Purpurbakterien) oder Mikroalgen, soll Biowasserstoff aus Reststoffströmen wie Altholz oder Spülabwässern erzeugt werden.

Abwasser- und Abfallbioraffinerien: Verknüpfung verschiedener Technologien zur vollständigen Verwertung von Abfallströmen

Die möglichst vollständige Kreislaufführung von Rohstoffen kann den dringend notwendigen Wandel zu einer klimaneutralen und umweltfreundlichen Lebens- und Wirtschaftsweise unterstützen. In der industriellen Produktion spielt die Kreislaufführung daher eine wichtige Rolle zur Erhöhung der Ressourceneffizienz.

Ein bislang nur unzureichend genutzte Reserve potenzieller Rohstoffe liegt in der Weiternutzung wertvoller Rohstoffbausteine in Abwasser und Abfällen. Die auf dieser Seite bereits vorgestellten und weitere Verfahrensansätze, die für sich genommen bereits als Unit Operations entwickelt und etabliert sind, gilt es in einem weiterführenden Schritt durch die intelligente Verknüpfung von Biologie und Technik nach dem Modell einer Raffinerie zu kombinieren. In aktuellen Projekten verknüpfen wir hierzu verschiedene biotechnologischer Verfahren nach dem Prinzip einer Bioraffinerie und setzen sie in Pilot- und Demonstrationsanlagen in einem größeren Maßstab um. Auf diese Weise stellen wir einerseits wertvolle Produkte für Industrie und Landwirtschaft her und ermöglichen andererseits die Wiederverwendung des dadurch gereinigten Wassers.

Für die Steuerung und Automatisierung spielen Digitalisierung und Künstliche Intelligenz (KI) eine entscheidende Rolle, z. B. in Form von selbstlernenden Sensornetzwerken bei der Prozessüberwachung oder dem Einsatz auf Fuzzy-Logik basierender Regelungssysteme. 

Kombinierbare Unit Operations für Abfall- und Abwassserbioraffinerien:

  • Hochlastfaulung zur Vergärung der organischen Bestandteile von (kommunalen) Abwasserströmen zu Biogas/Biomethan
  • Verschiedene Technologien zur Nährstoffrückgewinnung (N, P)
  • Mikroalgentechnologie zur biologischen CO2-Fixierung (Bio carbon capture and utilization, CCU) und Produktion von Koppelprodukten
  • Elektrosynthese-Prozesse zur CO2-Konversion (carbon capture and utilization, CCU) in C1-Intermediate (Formiat, Methanol)
  • Weitere spezifische mikrobielle Konversionsprozesse
  • Energie- und CO2-optimierte Trocknung von Lebensmitteln durch Trocknung mittels überhitztem Wasserdampf
Hochlastfaulung auf der Kläranlage  Erbach.
© Franz Parockinger / Stadt Erbach
Die Hochlastfaulung auf der Kläranlage Erbach bildet die Grundlage, die Kläranlage zu einer Bioraffinerie auszubauen.

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